Unsere Fankultur - Eine Hau-Drauf-Kultur?
Diese Situation eskalieren erst nach dem Spiel. Kurz nach Abpfiff
stürzen binnen weniger Minuten hunderte Dynamo Dresden-
"Fans" auf das Spielfeld und jagen Spieler des Heimteams.
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15:25 Uhr: Die beiden Stadien sind gut gefüllt. Hamburger Fans brennen Bengalos ab, dabei gerät die eigene Zaunfahne in Brand. Die Feuerwehr muss einschreiten; keiner wird verletzt. In Gelsenkirchen brennt es an einem Ausgang. Mehrere Frankfurter zündelten ebenfalls bengalische Feuer, auch hier wurde niemand verletzt. Die Spiele werden etwas später angepfiffen.
Kurz nach den Spielen sind es ungewöhnlich viele Hamburger, die in die Altstadt fahren, um dort noch zu feiern. Der Fanclub, dessen Zaunfahne abgebrannt ist, ist direkt nach dem Spiel abgereist.
18 Uhr: "Fan-"Gruppen vom FC Schalke und der Eintracht Frankfurt verabreden sich zu Schlägereien. Die Polizei schreitet ein. In Düsseldorf ist die Lage relativ ruhig. Bisher gab es nur wenige Auffälligkeiten. Im weiteren Verlauf des Abends geraten allerdings immer wieder Gewaltbereite, oft junge Personen beider Fanlager aneinander. Die meisten sind betrunken. Es gibt mehrere Festnahmen. Die Gewaltbereiten Fans landen in Ausnüchterungszellen. Es ist bereits Sonntag Nacht, als eine Gruppe von Düsseldorfern auf eine Gruppe von Hamburgern losgeht. Bei der Massenschlägerei werden mehrere Leute verletzt, unter Anderen auch fünf Polizisten.
Erst gegen halb 5 am Morgen endet der Einsatz für die Polizisten. In Gelsenkirchen sind schon vor Mitternacht die Fanlager voneinander getrennt worden. - Diese Fallsituation war dabei noch harmlos!
Doch warum müssen die Fanlager eigentlich getrennt werden? Wie kann es sein, dass es bei allen vier Vereinen hunderte Schläger gibt? Ein 20-jähriger Düsseldorfer hat dazu folgendes gesagt: "Es macht einfach Spaß sich zum prügeln zu verabreden. Das gibt Adrenalin Kicks!".
Ein 16-jähriger, ebenfalls aus Düsseldorf stellte sich einem etwas "ausführlicherem" Interview:
Warum schlägst Du dich mit anderen Fans? -
"Wenn die anderen unsere Stadt betreten müssen die kassieren!".
Was haben die die anderen Fans euch getan? -
"Die Beleidigen uns mit ihrer Anwesenheit."
Schlägst Du dich auch mit anderen Fans, wenn du auf Auswärtsspielen bist? -
"Klar, wir müssen ja unseren Verein verteidigen!"
Wovor verteidigt ihr euren Verein? -
"Vor den anderen!"
Bist du feindlich gegenüber dem DFB (Deutscher Fußball Bund) eingestellt? -
"Der DFB will uns Fans aus dem Stadion werfen und Pyrotechnik verbieten, das geht garnicht!"
Warum meinst du, will der DFB euch aus dem Stadion haben? -
"Für den Kommerz, die wollen nur Geld machen und keine Stimmung mehr zulassen!"
Meinst du nicht, dass ihr Menschen gefährdet, die sich nicht schlagen wollen? -
"Ich schlage keine normalen Menschen, nur die von den anderen Vereinen."
Vor einiger Zeit hat sich ein Fan aus der Ultra-Szene mit einem Bengalo lebensgefährlich verletzt, was sagst du dazu? -
"Selber schuld. Wenn man es nicht kann, sollte man es lassen."
Danke für das Gespräch (Aus Sicherheitsgründen bleibt die Identität des Jungendlichen geheim).
Solche "Ultras" wollen also ihren Verein beschützen? Ich finde es erschreckend, wie der Jugendliche auf einige von den Fragen reagierte. "Wenn die anderen unsere Stadt betreten müssen die kassieren!" und "Wir müssen ja unseren Verein verteidigen" sind zwei unfassbare Aussagen. Es scheint fast so, als wären bei den Hooligans und in der Ultra-Szene (der 16-jährige beschreibt sich als "Ultra") etliche Tiere, statt Menschen. Schlimm daran ist, dass selbst einige Studenten und Menschen jenseits der 40-Jahre-Grenze an solchen Ausschreitungen beteiligt sind. Sie werden von intelligenten Populisten und teilweise Rechtsradikalen Menschen stark beeinflusst. Diese Menschen sagen aus, dass andere Vereine, der Deutsche Fußball Bund (DFB) und die Polizei verantwortlich sind und sein werden, dass der "Fußball zerstört wird". Teilweise werden hier Argumente hervorgebracht, die - wenn man mal darüber nachdenkt - völlig schwachsinnig sind. "Wehrt euch gegen die Polizei, sie will euch verbieten euren Verein zu unterstützen", heißt es in einigen Schriftstücken auf Facebook & Co.. "Der DFB verbannt die Fans aus der Kurve", war letzte Woche auf einem Plakat zu sehen. Hier werden Menschen gegen Organisationen aufgehetzt, die eigentlich nur eins wollen - und das sind friedliche Fußballspiele. Besonders beliebt ist übrigens "ACAB" (siehe Bild rechts), das steht für "All Cops are Bastards" (Alle Polizisten sind Bastarde). Eine ganz einfache Methode für das unterbewusste Aufhetzen von Menschenmassen gegen die Polizei.
Paradox - und widersprüchig ist dann oftmals der Ausruf "Fußballfans sind keine Verbrecher", denn es sind gerade diese Menschen, die oftmals während sie diese Aussage ausrufen, gerade irgendwelchen Vandalismus begehen (Beispielsweise Lampen und Spiegel in Bussen und Bahnen abreißen, Scheiben beschmieren und beschädigen, etc.). Mittlerweile ist dieses Problem aber nicht mehr nur in den Bundesligen zu entdecken. In Ratingen zum Beispiel eskalierte ein Meisterschaftsspiel der Niederrheinliga zwischen Ratingen und dem KFC Uerdingen, als etwa 50 Krefelder Fans mit Bengalos die im Stadion ebenfalls anwesenden Fortuna Düsseldorf (sie bezeichneten sich selbst als "Ultras") scheinbar provozierten. Eine große Schlägerei führte zum Spielabbruch. Etwa 50 Polizisten benötigten über eine halbe Stunde um das Geschehen zu entschärfen. Sogar in der Kreisliga gibt es solche Zwischenfälle. Hier entdeckte man allerdings keine Zugehörigkeit zu den Vereinen. In Oberhausen Osterfeld gab es eine Massenschlägerei, an dem Rund 150 Menschen beteiligt waren. Viele von ihnen waren stark alkoholisiert.
Es liegt definitiv nicht nur am Alkohol, dass solche Situationen entstehen, aber er scheint dazu beizutragen. Ein Stadtweites Alkohol-Verbot bei einer Bundesliga-Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln vor einem Jahr schien aber zu helfen. Es gab keine Ausschreitungen vor, während oder nach dem Spiel, bei dem Stadtweit über 1.000 Polizisten tätig waren. Die Kosten die bei den ganzen Polizeieinsätzen entstehen (Im Schnitt sind das pro Bundesliga-Spieltag Rund 2,9 Millionen Euro) lasten übrigens auf dem Steuerzahler, also der arbeitenden Bevölkerung. Aktuell wird darüber nachgedacht, dass die Vereine einen Teil der Aufwendungen für die Polizeieinsätze übernehmen müssen. Das wären für jeden Verein zwischen 100.000 und 250.000€ pro Spieltag und bis zu 2,5 Millionen Euro pro Saison. "Ein richtiger Schritt", sagen viele Fußball-Desinteressierte. "Vielleicht würden dann einige dieser Gewaltbereiten 'Fans' dann merken, was sie anrichten, wenn ihr eigener Verein in Geldnöte geraten würde.", sagt ein DFB-Sprecher. Ich denke eher, dass dies zu großen Ausschreitungen führen könnte, denn die klugen Köpfe, die die Gewaltbereiten "Fans" beeinflussen, werden neue Parolen finden um diese Gewalt zu lenken.
Wenn man auf andere Sportarten schaut, sieht man offensichtlich deutlich entspanntere Situationen. Im Eishockey Beispielsweise gibt es auch Gewaltbereite Anhänger, die meisten von ihnen sind allerdings vom örtlichen Fußballverein und wollen beim Eissport 'nur' für Unruhe sorgen. Bei den Essener Moskitos zum Beispiel waren es vermutlich Rot-Weiß Essen "Ultras", die beim vergangenen Derby auf mehrere Duisburger Fans einschlugen und dabei zwei Duisburger am Kopf verletzten.
In der letzten Saison gab es mehrfach Ausschreitungen bei Oberliga-Spielen des Herner EVs. Hier waren es "Fans" vom FC Schalke 04, dem Fanclub "UGE" (Ultras Gelsenkirchen). Nach einem Spiel schlugen mehrere Täter auf unschuldige Gästefans mit Eisenstangen ein. Mehrere Personen wurden dabei - zum Glück - nur leicht verletzt. Die Polizei setze hier Tränengas ein, was allerdings nur wenig Erfolg hatte. Solche "Überfälle" gibt es im Zusammenhang mit dem Eishockey-Sport zum Glück nur ganz selten. Aber auch hier ist das Motiv wieder erkennbar: "Die betreten unsere Stadt". Hingegen zum Fußball werden beim Eishockey allerdings Strafanzeigen von den betroffenden gegen die meist mit Vereinsschal maskierten Tätern gestellt.
Wem kann man die Schuld für das ganze geben? Ich würde da ganz früh anfangen: Liegt es beispielsweise an der falschen oder schlechten Erziehung der Kinder durch ihre Eltern?, oder sind es Vorbilder, wie die Personen, die in den Szenen der "Hooligan"-Filme auf andere Hooligans (Hooligans sind Gewaltbereite Menschen, die sich verabreden um sich im Namen eines Sportvereins mit anderen Vereinsanhängern zu schlagen) einprügeln? Möglicherweise liegt es aber auch an der mangelhaften Schulbildung oder den Einflüssen des TV-Programms, zum Beispiel Nachmittags auf RTL? Ich kann diese Frage nicht beantworten; dennoch würde ich mir wünschen, dass es nicht noch schlimmer wird. Denn auch Fußball soll eine faire Sportart bleiben, nicht nur auf dem Platz, sondern auch drumherum.
Eine große Choreographie bei der Düsseldorfer EG.
Hier waren "große" Fans am Werke. Quelle: Forum-Brehmstrasse Nord.
Gerade die Ultra-Gruppierungen sollten sich stärker für eine friedliche Atmosphäre einsetzen. Sie erreichen durch ihre großartigen Ideen, durch unglaublich Tolle Choreographien und toller Stimmung bei den vielen Fußballspielen unglaubliche Sympathien. Das negative Image kommt durch die hohe Anzahl der Gewaltbereiten Fans, die sich in diese vielen Ultra-Gruppierungen einnisten. Und das sollte verhindert werden. Denn eigentlich sind "Ultras" die Fangruppierungen, die ihren Verein mit einer tollen Stimmung, zahlreichen Aktionen, wie Fanradios oder Choreographien unterstützen.
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